
Aktuare sind Sachverständige, die sich mit versicherungsmathematischen Fragestellungen befassen – eine kleine, aber mit Spezialwissen ausgestattete Berufsgruppe. Rund 6.000 Aktuare sind in Deutschland tätig und Mitglied der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. (DAV). Auf der diesjährigen DAV-Jahrestagung in Bonn wurde - nicht zum ersten Mal - über Reformvorschläge für die PKV diskutiert. Die Regularien für Beitragsanpassungen, (noch) bessere Altersvorsorge und die Öffnung des Standardtarifs standen dabei im Fokus.
Drastische Beitragssprünge sorgen immer wieder für „schlechte Presse“ der PKV-Branche und sind in der Regel ein Schock für die betroffenen Versicherten. Oft ist der Beitragserhöhung eine längere Phase relativer Beitragsstabilität vorausgegangen. Die „Sprunghaftigkeit“ ist eine Folge der gesetzlich festgeschriebenen Anpassungsregeln. Hier fordern die Aktuare eine Neugestaltung, die eine Verstetigung der Beitragsentwicklung bewirkt.
Beitragsanpassungen - Schwellenwerte senken, Rechnungszins auslösender Faktor
Nach der geltenden gesetzlichen Regelung ist eine Neukalkulation von PKV-Tarifen immer dann zwingend, wenn dietatsächlichen Leistungen in einem Tarif ummehr als 10 Prozent von den ursprünglich kalkulierten Leistungen abweichen. Dazu findet ein jährlicher Soll-Ist-Vergleich statt. Ein weiterer auslösender Faktor für Beitragsanpassungen ist diedurchschnittliche Lebenserwartung. Verändern sich dieSterbewahrscheinlichkeiten in einem Tarif um mehr als 5 Prozent, muss ebenfalls eine Neukalkulation erfolgen.
Solange nicht einer dieser beiden Schwellenwerte überschritten wird, bleibt alles beim Alten. Das führt dazu, dass sich der Anpassungsbedarf im Zeitablauf „aufstaut“ und sich irgendwann in einem großen Beitragssprung „entlädt“, sobald ein Schwellenwert überschritten ist. Die Aktuare sprechen sich daher für eine generelle Senkung der Schwellenwerte auf 5 Prozent aus. Solche niedrigeren Schwellen konnten schon bisher tariflich vereinbart werden. Das wird aber nur teilweise genutzt. Die Absenkung der Schwellenwerte würde zu häufigeren Beitragsanpassungen führen, die aber weniger drastisch ausfielen - das Ergebnis wäre die gewünschte Verstetigung der Beiträge.
Die Aktuare sprechen sich zudem dafür aus, künftig denRechnungszins als weiteren auslösenden Faktor zu etablieren. Er ist eine entscheidende Größe für die Bildung der PKV-Altersrückstellungen. Bisher führt ein veränderter Rechnungszins per se nicht zu Beitragsanpassungen. Er wird nur bei einer Neukalkulation im Zusammenhang mit den beiden anderen auslösenden Faktoren berücksichtigt. Seine Bedeutung - nicht zuletzt vor dem Hintergrund fortlaufend sinkender Zinsen in den letzten Jahren - spricht dafür, ihn ebenfalls als Auslöser gesetzlich zu verankern.
Maßnahmen gegen steigende Beiträge im Alter
PKV-Beiträge können vor allem im Alter zur Belastung werden. Um einen überproportionalen altersbedingten Beitragsanstieg zu verhindern, werden in der PKV bereits seit Langem Altersrückstellungen gebildet. Jeder neue PKV-Versicherte muss einen mindestens zehnprozentigen Beitragszuschlag entrichten - frühestens beginnend ab 21 und spätestens endend mit 60. Die daraus gebildeten Rückstellungen werden später zur Beitragsentlastung genutzt. Mit einer Erhöhung des Zuschlags oder einer längeren Zuschlagsdauer könnte die Beitragsentlastung noch stärker ausfallen, so die Aktuare.
Den Standardtarif breit öffnen
Der Standardtarif ist der Vorgänger des Basistarifs und steht nur bestimmten Privatversicherten offen, die bereits vor dem 1. Januar 2009 längere Zeit in der PKV waren. Er bietet günstigen Versicherungsschutz mit GKV-Leistungsniveau - insbesondere für Eheleute, die hier zusammen maximal 150 des „Single“-Beitrags zahlen. Es sei eine nicht nachvollziehbare Diskriminierung, große Teile der PKV-Versicherten von dieser Tarif-Option auszuschließen, meint die DAV.
Dringender Reformbedarf auch in der GKV
Die Aktuare sehen auch dringenden Reformbedarf in der GKV, ohne allerdings konkrete Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Für die gesetzlichen Krankenkassen werde sich bis spätestens Ende des Jahrzehnts eine nie gesehene Finanzierungslücke auftun. Hier bestünden strukturelle Finanzierungsmängel, die bisher durch immer höherer Steuerzuschüsse zu Lasten künftiger Generationen kaschiert würden - keine nachhaltige Lösung. Die Strukturmängel beträfen auch die Soziale Pflegeversicherung. Es sei dringend mehr Vorsorge durch eine nachhaltig finanzierte private Pflegeversicherung nötig.