
In schöner Regelmäßigkeit wird in den Medien über Beitragsschocks in der privaten Krankenversicherung berichtet. Prämienerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich sind besonders schlagzeilenträchtig und vielfach ein willkommener Anlass, um die Flucht aus der PKV zu empfehlen oder den baldigen Kollaps des privaten Systems zu prophezeien.
Aber wie steht es tatsächlich mit den PKV-Beiträgen? Steigen die Prämien tatsächlich so dramatisch oder handelt es sich um „Fake News“, um einen modischen Begriff zu gebrauchen? Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Das Analysehaus Morgen & Morgen - kurz M&M - hat sich jetzt eingehender mit der Frage der Beitragsentwicklung in der PKV befasst und ist dabei zu teils überraschenden Ergebnissen gekommen. „ M&M RATING PKV BEITRAGSSTABILITÄT – Jahrgang 2020 “ lautet der Titel der Untersuchung.
Über 900 private Krankenvollversicherungstarife bewertet
Untersucht wurden insgesamt über 900 Tarife in der privaten Krankenvollversicherung von allen gängigen Anbietern. Es handelt sich ausnahmslos um Unisextarife, für die eine mindestens fünfjährige Beitragshistorie vorliegt. Betrachtet wurden jeweils die für die Tarifbausteine „ambulant“, „stationär“ und „Zahn“ geltenden Neugeschäftsprämien. Diese hängen u.a. vom Eintrittsalter ab. In der Untersuchung wurden für jeden Tarif Prämien für Eintrittsalter zwischen 21 und 50 Jahren berücksichtigt.
Bei jedem Tarif wurden für jedes Eintrittsalter die jährlichen Beitragssteigerungen im Zeitraum 2015 bis 2020 ermittelt. Daraus wurde für jeden Tarif eine durchschnittliche Beitragssteigerung errechnet. Zugleich wurde die Streubreite der Beitragssteigerungen (Standardabweichung) ermittelt. Das Ergebnis wurde im Hinblick auf Beitragsstabilität bewertet.
Von insgesamt 916 untersuchten Tarifen wiesen 544 Tarife (59,4%) eine „sehr gute“ oder sogar „ausgezeichnete“ Beitragsstabilität auf. Eine „schwache“ bis „sehr schwache“ Beitragsstabilität zeigten dagegen nur 156 Tarife (17%).
Durchschnittliche Beitragsentwicklung in PKV und GKV
Dies steht im Einklang mit den statistischen Erhebungen des PKV-Verbandes. Danach war die durchschnittliche Beitragssteigerung in der PKV in den letzten 10 Jahren sogar niedriger als in der GKV.
Der Unterschied bei den Beitragsanpassungen liegt aber nicht nur im Umfang, sondern auch im System. In der GKV findet eine quasi automatische und „unmerkliche“ Beitragserhöhung im Rahmen der Einkommensentwicklung statt. Der allgemeine Beitragssatz bleibt dabei konstant. Angepasst wird lediglich der Zusatzbeitrag, der aber nur einen Bruchteil des jeweiligen Krankenversicherungsbeitrags ausmacht.
Warum es in der PKV zu Beitragssprüngen kommt
Anders in der PKV. Hier werden die Beiträge einkommensunabhängig und für jeden Tarif festgelegt. Kommt es zu einer Prämienerhöhung, muss dies dem Versicherten explizit mitgeteilt und erläutert werden. Allein das sorgt bereits für eine andere Wahrnehmung. Zu „Beitragsschocks“ kommt es durch den gesetzlichen Anpassungsmechanismus.
PKV-Anbieter dürfen ihre Tarife nämlich nur nach bestimmten gesetzlich definierten Regeln anpassen. Erst wenn bei den sogenannten „auslösenden Faktoren“ Versicherungsleistungen und Lebenserwartung Veränderungen bestimmte Schwellenwerte überschreiten, dürfen und müssen Anpassungen stattfinden. Dann wird der jeweilige Tarif komplett neu kalkuliert und zuvor unterlassene Anpassungen müssen nachgeholt werden. Dadurch kommt es dann unter Umständen zu sprunghaften Beitragssteigerungen, die tatsächlich zweistellige Prozentwerte erreichen können. Dass die Beiträge vor einem solchen Sprung oft etliche Jahre konstant geblieben sind, wird gerne übersehen.
Reformbedarf, aber kein Reformwille
Diese „sprunghafte“ Anpassung ist den Versicherern selbst ein Dorn im Auge, da sie bei den Versicherten immer wieder für Unmut sorgt. Sie würden „gleitendere“ Anpassungsregeln begrüßen. An Vorschlägen dazu mangelt es nicht. Der Gesetzgeber konnte sich allerdings bisher nicht zu einer Reform durchringen.