PKV-Verband - Gutachten: Hamburger Modell verfassungswidrig?

Als vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass nun auch dasLand Baden-Württemberg für Beamte im Rahmen das Hamburger Modell einführen möchte, um die freiwillige GKV-Mitgliedschaft attraktiver zu machen, stieß das in der PKV-Branche verständlicherweise auf wenig Gegenliebe. Der PKV-Verband äußerte heftige Kritik an dem Vorhaben. Nun zeichnet sich ein juristischer Streit um das Modell ab. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des PKV-Verbands macht bei dem Modell erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend.

Baden-Württemberg ist nachHamburg, Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen das sechste Bundesland, das den Weg des Hamburger Modells beschreitet. Mit über 192.000 Landesbeamten stellt „das Ländle“ im Vergleich zu den übrigen fünf Ländern ein echtes Schwergewicht dar. Würden viele Beamte von dem Angebot Gebrauch machen, dürfte das die privaten Krankenversicherer schmerzen. Eine tragende Säule des Geschäfts - die private Krankenvollversicherung für Beamte - bekäme weitere Risse.
 

Mögliche Verstöße gegen die Fürsorge- und Alimentationspflicht

Beim Hamburger Modell haben Beamte die - einmalige - Wahl zwischen einer individuellen Beihilfe ihres Dienstherrn wie bisher oder einer pauschalen Beihilfe. Bei freiwilliger GKV-Mitgliedschaft stellt die pauschale Beihilfe das Äquivalent zum sonst üblichen Arbeitgeberbeitrag dar. Beamte werden bei dem Modell so gestellt wie Arbeitnehmer. Bei der individuellen Beihilfe beteiligt sich der Dienstherr dagegen nicht an den GKV-Beiträgen. Das macht die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse in den meisten Fällen unattraktiv.

Das bei einer Bonner Anwaltskanzlei bestellte Gutachten sieht hier vor allem Artikel 33 Absatz 5 GG berührt. Dort heißt es: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“ Mögliche Verstöße des Hamburger Modells erschließen sich daraus nicht sofort – sie resultieren aus den beamtenrechtlichen Grundsätzen. Dazu gehört Pflichten des Dienstherrn in Sachen Alimentation und Fürsorge.

Deren Erfüllung sei bei dem Hamburger Modell nicht ausreichend bzw. nicht ausreichend sichergestellt, so die Gutachter. Argumentiert wird dabei wie folgt:

  • ein Dienstherr dürfe seine Pflichten nicht an Dritte delegieren, auf deren Leistungsumfang er keinen Einfluss habe. Das sei aber bei den gesetzlichen Krankenkassen der Fall. Damit sei der Erfüllung der Fürsorgepflicht nicht ausreichend Genüge getan.

  • Beamte und ihre Familienangehörigen seien in jedem einzelnen Fall absichern und nicht pauschal. Bei der individuellen Beihilfe werde dieser Anspruch automatisch erfüllt, bei dem Hamburger Modell dagegen nicht.

  • ein Dienstherr sei verpflichtet, Beamte ausreichend zu alimentieren. Das bedeute u.a. eine Besoldungsbemessung, die die Kosten der Krankenversicherung voll abdecke. Auch hier biete das Hamburger Modell nicht die notwendige Sicherheit, vielmehr bestehe das Risiko einer ständigen Unteralimentierung - insbesondere wenn Familienangehörige nicht die kostenlose Familienversicherung in der GKV in Anspruch nehmen könnten.

  • ein weiterer kritischer Punkt, der in Verbindung mit den vorgenannten Argumenten gesehen werden müsse, sei die Unwiderruflichkeit der Beihilfe-Wahl - ein möglicher Verstoß gegen den Grundsatz der Vorsorge-Freiheit. Wer sich beim Hamburger Modell einmal für die pauschale Beihilfe entscheide, bleibe daran ein Beamtenleben lang gebunden.
     

Mögliche verfassungsrechtliche Klärung mit Auswirkungen

Dass das Hamburger Modell rechtlich auf den Prüfstand gestellt werden wird, zeichnet sich nach Vorlage des Gutachtens bereits ab. Zwar kann der PKV-Verband nicht selbst klagen, weil er nicht selbst von der Beihilfe-Regelung betroffen ist. Der Verband rechnet aber mit einer ganzen Reihe an Feststellungsklagen von Beamten - vor allem wegen der Unwiderruflichkeit der Beihilfe-Entscheidung. Das Gutachten richtet sich konkret gegen die in Baden-Württemberg geplante Regelung. Sollte deren Verfassungswidrigkeit bestätigt werden, würde das zwangsläufig auch Auswirkungen auf die anderen Bundesländer mit Hamburger Modell haben. Die Regelungen sind dort überall sehr ähnlich ausgestaltet.

 

 

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