Beitragsanpassungen in der PKV - Urteil bestätigt Abweichung von gesetzlichen Regelwerten

News-Artikel vom: 12.08.2023

Um Beitragsanpassungen in der PKV gibt es häufig juristische Auseinandersetzungen. In den letzten Jahren ging es dabei vielfach um die Verletzung von formalen Anforderungen im Zusammenhang mit neuen Beitragsmitteilungen. Etwas anders gelagert ist ein Rechtsstreit, über den kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH)als höchste Instanz zu entscheiden hatte (BGH, Urteil vom 12.07.2023 - Az.: IV ZR 347/22). Hier stand die Abweichung von den gesetzlich definierten Schwellenwerten für Beitragsanpassungen im Fokus.
 

Der „reguläre“ Beitragsanpassungsmechanismus ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) geregelt (§ 155 Abs. 3 u. 4 VAG). Danach muss ein privater Krankenversicherer mindestens jährlich die Kalkulationsgrundlagen für seine Tarife überprüfen. Stellt sich dabei heraus, dass die tatsächlichen Versicherungsleistungen um mehr als 10 Prozent von den ursprünglich kalkulierten Leistungen abweichen, ist eine Neukalkulation der Prämien im jeweiligen Tarif vorzunehmen. Das gleiche gilt, wenn bei den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten Abweichungen von mehr als 5 Prozent festzustellen sind.


Vom Gesetz abweichende Klausel in den Versicherungsbedingungen 

Bei einer abweichenden Entwicklung der Versicherungsleistungen hat der Gesetzgeber den Versicherern die Möglichkeit eingeräumt, in den allgemeinen Versicherungsbedingungen eine niedrigere Anpassungsschwelle als 10 Prozent vorzusehen. Davon hatte im vorliegenden Fall der Versicherer - die Allianz Private Krankenversicherung - Gebrauch gemacht. Die entsprechende Klausel in den Bedingungen besagt, dass der Versicherer eine Beitragsanpassung vornehmen kann - jedoch nicht muss -, wenn die Abweichung von den kalkulierten Versicherungsleistungen mehr als 5 Prozent, aber weniger als 10 Prozent beträgt.

Im Zeitraum 2012 bis 2018 kam diese Klausel mehrfach zur Anwendung. Die Allianz hatte in dem betreffenden Tarif die Beiträge insgesamt fünfmal erhöht. Der klagende Versicherungsnehmer sah sich dadurch einseitig benachteiligt. Er argumentierte, dass die Klausel dem Versicherer auch vor dem Erreichen des gesetzlichen Schwellenwertes erlaube, die Beiträge nach oben anzupassen, ohne ihn gleichzeitig zu Beitragsanpassungen nach unten zu verpflichten, wenn die Leistungsausgaben niedriger als kalkuliert ausfallen.
 

Keine unangemessene Benachteiligung - Klausel ist wirksam

Die Vorinstanz - das Oberlandesgericht (OLG) Rostock - hatte dem Kläger Recht gegeben und die Allianz dazu verurteilt, knapp 1.200 Euro vermeintlich zu viel erhobener Beiträge zzgl. Zinsen an den Kläger zurückzuzahlen. Gegen dieses Urteil klagte die Versicherung dann vor dem BGH. Die Richter beim obersten deutschen Zivilgericht sahen den Fall anders als das OLG Rostock und verwiesen ihn an die Vorinstanz zurück.

Grundsätzlich sei es dem Versicherer kraft Gesetz erlaubt, eine niedrigere Anpassungsschwelle als im Versicherungsaufsichtsgesetz vorzusehen, so die BGH-Richter. Die strittige Klausel stehe auch im Einklang mit den Regelungen zur Prämien- und Bedingungsanpassung im Versicherungsvertragsgesetz (§ 203 Abs. 2 Satz 4 VVG). § 307 BGB sei hier ebenfalls nicht anzuwenden. Danach sind AGB-Klauseln unwirksam, wenn sie einen Vertragspartner „… entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.“ 
 

Beitrag zur Vermeidung von Beitragssprüngen

Zur Begründung führten die Richter u.a. aus, dass der Versicherer mit der abweichenden Regelung keine eigenen Interessen verfolgt habe. Die Festlegung einer niedrigeren Anpassungsschwelle als im Gesetz vorgesehen stelle auch keine einseitige Benachteiligung dar. Sie könne im Gegenteil zu einer stetigeren Prämienentwicklung beitragen und dabei helfen, Beitragssprünge zu vermeiden.

Das Urteil hat über den konkreten Fall hinaus Bedeutung, da sich ähnliche Klauseln in vielen Versicherungsbedingungen für PKV-Tarife bei unterschiedlichen Anbietern finden.

 

 

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