PKV – Juristische Wende im Treuhänder-Streit?

Im vergangenen Jahr hat ein Urteil des Landgerichts Potsdam für Aufsehen gesorgt. Das Gericht hatte Prämienerhöhungen der AXA Krankenversicherung AG für unwirksam erklärt, weil die Unabhängigkeit des Treuhänders, der die Beitragsanhebung zu testieren hatte, bezweifelt wurde. Der hatte einen maßgebenden Teil seines Einkommens (mehr als 30 Prozent) mit der Prüfung und Testierung von AXA-Prämienanpassungen erzielt.

Wenn sich die Rechtsaufassung des Potsdamer Gerichtes durchsetzen würde, könnten die Folgen für die privaten Krankenversicherungen gravierend sein. Denn damit stünde über den AXA-Fall hinaus die Rechtmäßigkeit zahlreicher Beitragsanhebungen der vergangenen Jahre in Frage. Die Rückforderung von „zu viel“ geforderten Beiträgen durch Versicherungsnehmer würde die Unternehmen etliche Millionen Euro kosten und unter Umständen sogar existenzgefährdend wirken. Es ist daher nicht überraschend, dass nicht nur das betroffene Versicherungsunternehmen gegen das Urteil Sturm lief, sondern die PKV-Branche insgesamt.
 

OLG Celle entscheidet in Revisionsverfahren

Zwischenzeitlich wurden auch vor anderen Gerichten ähnliche Verfahren angestrengt. Eine einheitliche Rechtsprechung konnte sich dabei bisher nicht durchsetzen. Manche Gerichte folgten der Auffassung des Landgerichts Potsdam und erklärten Prämienanpassungen weiterer Versicherer für unwirksam, andere nicht. Jetzt hat erstmals eine höhere Instanz zu einem solchen Sachverhalt entschieden. Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – Az. 8 U 57/18) steht in markantem Widerspruch zur Rechtsauffassung des Landgerichts Potsdam. Im Hinblick auf die noch ausstehende höchstrichterliche Rechtsprechung durch den BGH könnte es eine Trendwende bedeuten – für die PKV-Branche ist das Urteil ein Lichtblick und bietet Anlass zur Hoffnung, millionenschwere Beitragsrückforderungen doch noch abwenden zu können.

Das OLG Celle hatte konkret in einem Revisionsverfahren zu entscheiden. Der Kläger hatte zuvor beim Landgericht Hannover gegen eine Beitragserhöhung seiner privaten Krankenversicherung geklagt - u.a. wegen der fehlenden Unabhängigkeit des Treuhänders. Das Gericht hatte die Klage abgewiesen, aber Berufung zugelassen. Diese wurde nun vor dem OLG Celle verhandelt.
 

Unabhängigkeit des Treuhänders nicht entscheidend

Das Oberlandesgericht beschäftigte sich dabei mit der Frage, ob allein ein Verstoß gegen das formale Anforderungs-Kriterium „Unabhängigkeit des Treuhänders“ genüge, um die Rechtmäßigkeit einer Beitragsanpassung in Frage zu stellen. Das Gericht verneinte dies und stellte fest, dass für die Zulässigkeit einer Prämienanhebung die formale Unabhängigkeit eines Treuhänders nicht entscheidend sei. Dies sei deshalb so, weil der Treuhänder bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beitragserhöhung keine Ermessensspielräume habe. Er sei vielmehr an klare rechtliche Vorgaben gebunden.

Aufgrund dieser Vorgaben sei es auch einem Zivilgericht möglich, unabhängig vom Testat eines Treuhänders über die Zulässigkeit einer Beitragsanpassung zu urteilen. Ergebe die gerichtliche Überprüfung, dass die Anpassung den rechtlichen Regelungen entspreche und sogar geboten sei, komme es für die Rechtmäßigkeit letztlich nicht auf die Beurteilung durch den Treuhänder an. Im Umkehrschluss könne eine Beitragserhöhung nicht alleine deshalb obsolet sein, weil der urteilende Treuhänder nicht die geforderte Unabhängigkeit aufweise.
 

Gegen Prüfung der Vermögensverhältnisse

Das OLG sprach sich in seiner Urteilsbegründung auch gegen eine stärkere Überprüfung der Unabhängigkeit von Treuhändern durch eine gerichtliche Durchleuchtung der Vermögensverhältnisse aus. Dies würde die Gerichte übermäßig belasten und unangemessen in die Rechte des Treuhänders eingreifen. Außerdem befürchten die Richter mehr Rechtsunsicherheit bezüglich PKV-Beiträgen, wenn Gerichte wegen unterschiedlicher Vermögensverhältnissen Anpassungen mal als rechtmäßig, mal als unzulässig werten würden.

Wenig überraschend wurde das OLG-Urteil vom PKV-Verband begrüßt. Auch die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde über die Treuhänder sieht sich in ihrer Auffassung bestätigt. Auf die „finale“ höchstrichterliche Rechtsprechung durch den BGH darf man gespannt sein.

 

 

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